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Formensprache der Wikinger

Kopf Die Formen der Wikinger sind leicht erkennbar und unverwechselbar, sogar für Laien. Also müsste eigentlich ihre Beschreibung auch relativ einfach sein. Doch das ist es leider gar nicht.

Kopf
Beispiel einer Granuliertechnik
Es gibt verschiedene "Moderichtungen" innerhalb der Zeit etwa 800 - 1200 n.Chr und auch noch regionale Vorlieben, also nicht EINEN Stil. Verzierungen waren allgegenwärtig, auf Alltagsgegenständen genau so wie auf Waffen oder an Bauwerken, also verschiedene Materialien, verschiedene Techniken.

So oft ich auch eine Beschreibung versucht habe, das einzige, was wirklich gut beschreibt, wie die Formen waren, ist:

Übereinander, untereinander, Bänder, die räumlichen Charakter haben Abbildungen, die stark vereinfacht und in den Proportionen "kopfbetont" waren (übergrosse Köpfe, zu kleine Körper). hierzu unten die Namen und die Beschreibungen der Stilrichtungen.

Zusätzlich sind einige typische Formen aufgrund der gewählten Herstellungs-Verfahren entstanden:

Granuliertechnik: bei Gold und Silber-Arbeiten wurden gern kleine Kügelchen aufgeschmolzen, die dann eine Linie oder Reihe mit gleichen Abständen bildeten, wie ein Dekorband, aber bestehend aus vielen, vielen Kügelchen. Diese nur anzuschmelzen, ist eine echte Kunst. Ein paar Grad mehr, und sie lösen sich einfach auf, ein paar Grad weniger, und sie fallen wieder runter. Selbst mit heutigem Lot (gleiches Material, Silber oder Gold, aber mit niedrigerem Schmelzpunkt) oder mit Flussmittel ist das ein Kunststück geblieben.

Aber auch Tauschierungen wurden verwendet, wo flächig andersfarbige Metalle aufgebracht wurden.
Tierfiguren
Kopf Tiere wurden mit Ornamenten verziert, die jedoch auf die Originalstruktur angepasst sind :z.B. Striche für die Federn bzw Kernpunkte für die Muskeln. Kopf
Ob es ein Pferd oder ein Fabelwesen ist, weiss ich nicht (wohl beides?)
Kopf Die Darstellung ist vereinfacht, reduziert, und teilweise schon eher schematisch, in der Ausarbeitung dann aber wieder stark verziert / gemustert.
Verschlingungen und Endlosmuster
Kopf Typisch sind die Verschlingungen, bei denen man klar erkennen kann, was oben rum und was unten drunter durch fürt. Kopf
Gerne werden auch "Endlos-Muster" verwendet, die so gestaltet sind, dass sie beliebig oft hintereinander passen.
Kopf Kopf

Kopf

Auf der Axt wurde die Verzierung mit einer Art Niello-Technik ausgeführt, d.h. Kontraste wurden durch stellenweise Ätzung der Oberfläche erzeugt. Auch hier ist wieder eine gewisse Symmetrie sichtbar, von der im Laufe der Ausarbeitung aber immer mehr abgewichen wurde.

Dieses Beispiel ist ebenfalls weitgehend symmetrisch (oberer Bereich), aber eben nicht durchgängig. Ziemlich ähnlich wie die Ornamentik, die sich auf der gefundenen Axt befindet (siehe oberes Bild)

Kopf

Kopf Ich nenn ihn "Knochenkopf". Hier sind die Linien stark vereinfacht, fast symbolisiert, das Flechtwerk ist weniger geschwungen und deutlich auf nur wenige Richtungen beschränkt. Die Ohren sind sehr geschickt in die Form integriert
Kopf Hier ist Thor abgebildet auf einem Schlüssel für eine Truhe, auch sehr vereinfacht. Er hält seinen "Hammer" hoch. Trotz der einfachen Darstellung wirkt er aber trotzdem beeindruckend, oder?
Kopf Bei dieser Maske ist die Symmetrie fast durchgängig, lediglich im unteren Bereich wurde dann doch darauf verzichtet. Zu erkennen sind die beiden Pferde im Augen- Bereich. Der Mund wirkt wie "zugenäht". Könnte man doch als Grusel-Maske auch heute noch verwenden (H. Lektor lässt grüssen)
auch hier wurde auf die typischen Darstellungsarten zurückgegriffen. Es herrscht ein fast durchgängige Symmetrie, die aber dann doch durchbrochen wird. Die Linienbreiten sind gleichmässig, es sei denn, es besteht ein Grund für eine Abweichung : Linienende, Vereinigung mit einer anderen Linie, Figur aus Linie. Die im unteren Teil durchbrochene Symmetrie sorgt meiner Ansicht nach für mehr Dynamik. Seht ihr das auch so ? Es handelt sich hier nicht um ein Fundstück, sondern um eine authentisch nachempfundene Arbeit: Also es hätte ev. sein können (wenn sie Heavy Metal gehört haben)

Figuren- oder Bild-Kunst:

Darstellungen sind eher nicht räumlich oder plastisch, zumeist handelt es sich um zweidimensionale Formen ( Skulpturen, textile Wandbehänge ), gelegentlich sind sogar Gebrauchsgegenstände als Figuren ausgestaltet. Oft sind Darstellungen mit Ornamentik geschmückt oder von ihr einfasst . Abstraktion herrscht vor.
Klassische Stereotypen ( Frauen = langes Haar und nachschleppendes Kleid, Männer = Rundschild und Speer bewaffnet ) überwiegen. Beispiele der älteren erzählenden Bildkunst sind die gotländischen Bildsteine und die Holzschitzereien und Textilien aus dem Schiffsgrab von Oseberg. Eine sakrale Verwendung wird von eingen vermutet.

Ornamentkunst:

dies Form der Kunst wird (zeitlich nacheinander) in folgende Stile eingeteilt: Broa/Oseberg-, Borre-, Jellinge-, Mammen-, Ringerike- und Urnes Stil. Die Benennungen stammen von den Fundorten, und werden in der folge einzeln beschrieben. Grundsätzlich besteht sie aber aus drei (kombinierbaren Elementen: Figuren( Tiere und Menschen ), Pflanzen( Ranken,Blätter,Blüten ) und geometrische ( Dreiecke, Kreise, Spiralen, Schlingen ). Kennzeichen ist die Wiederholung: Das gesamte Ornament scheint aus nur wenigen Elementen zu bestehen, diese reihen sich aber wiederholt aneinander, die Aufteilung und der Gesamteindruck ist dabei bestechend harmonisch und optisch sehr angenehm. Das aus diesen relativ einfachen Einzelteilen entstehende Gesamtbild vermittelt ein Kraft und Dynamik, der wir uns auch heute noch nicht entziehen können. Ein dabei interessantes Detail ist dabei das Spiel mit der Symmetrie (meist achsensymmetrisch). Sie wird in vielen dieser Werke FAST eingehalten. Damit meine ich, es herrscht eine offensichtliche Symmetrie, die aber dann doch bei der Vollendung des Werkes irgendwie durchbrochen wird (siehe Beispiele weiter oben). Mir ist kein gänzlich symmetrisches Werk bekannt. Was noch eine Regel zu sein scheint: Die Linienbreite ist weitgehend einheitlich, ausser wenn es einen Grund zu einer Abweichung gibt (Linienende, Vereinigung mit einer anderen Form, ... ).

Die einzelnen Stile der Ornamentkunst:

Broa/Oseberg- Stil

Die früheste Epoche wikingischer Ornamentkunst ( 9. Jahrhundert ) ist benannt nach Funden ( Metallkunst ) aus dem Grab von Broa im Kirchspiel Halla auf Gotland und aus dem Schiffsgrab von Oseberg ( Holzschitzereien ). Den Stil kennzeichnen Tiermotive, zum einen ein sich schlängelndes, bandförmiges Wesen mit einem Auge, einer betonten Taille und Öffnungen an den Hüften, zum anderen das sogenannte Greiftier, eine Anzahl ineinander verschlungener und verkrallter, sich bekämpfender Tiere mit runden Glotzaugen und langen Schöpfen. Letzteres ist ein äußerst langlebiges Motiv und erscheint als Einzeltier im nachfolgenden Borre- Stil.

Borre-Stil

Nach dem Schiffsgrab von Borre ( Vestfold, Norwegen ) ist der Stil benannt, der die wikingische Ornamentkunst ( mit chronologischer Überlappung zur vorangegangener bzw. folgender Epoche ) zwischen 850 und 975 bestimmte. Seine Merkmale sind die Ringketten ( ein zweisträhniges, symmetrisch verflochtenes Band ), das einzelne Greiftier mit zur Maske gestaltetem oder rückwärts gebogenem Kopf und in Spiralen auslaufenden Hüften sowie das halbrealistisch gehaltene rückwärts blickende Tierwesen, dessen Hüften gleichfalls in Spiralen enden. Der Borre-Stil war in Skandinavien weitverbreitet, auch auf den Britischen Inseln ist sein Vorkommen belegt. Außer den in Borre gefundenen Exponaten gelten die aus dem Grab von Gokstad geborgenen Schnitzereien und Metallarbeiten als typische Produkte des Stils.

Jellinge-Stil

Das Ornament auf einem Silberbecher, der im Königsgrab von Jellinge ( Jütland ) gefunden wurde, gab einer Stilepoche der Wikingerkunst den Namen. Der Jellinge-Stil entwickelte sich wahrscheinlich Ende des 9. Jahrhunderts und verbreitete sich im 10. Jahrhundert über ganz Skandinavien und Teile der Britischen Inseln. Seine Kennzeichen sind die wie Borten oder Bänder wirkenden schlangenförmigen Tierleiber, deren Köpfe mit Zipfeln versehene Lippen und Zöpfe aufweisen.

Mammen-Stil

Der Kunstwissenschaft genügt oft ein kleiner Gegenstand, um einer Epoche oder einem Stil einen Namen zu geben. Im Fall des Mammen-Stils, der von etwa 940 bis 1000 die skandinavische Ornamentkunst dominierte, ist es das Blatt einer silbertauschierten Prunkaxt aus einem Häuptlingsgrab, das bei Mammen in Mitteljütland entdeckt wurde. Beim Tauschieren werden in die Oberfläche einer metallenen Gußplatte ( hier das eiserne Axtblatt ) Rillen eingetieft, in die Drähte aus anderem Metall ( hier Silber ) gehämmert werden. Nach der Politur ergeben sich dann eindrucksvolle Kontraste. Die Axt von Mammen ist auf der Vorderseite mit einer gebogenen Halses nach rückwärts blickenden Vogelfigur geschmückt, von der Abzweigungen in Blattform abgehen. Der Körper des "Vogels" ist mit einem regelmäßigem Muster aus kleinen Punkten ausgefüllt. Die Dekoration der Rückseite besteht aus einem fleischig wirkenden Pflanzenornament. Der Mammen-Stil ist eine üppigere Variante des zeitlich vorangehenden Jellinge-Stils. Die Tierkörper sind stattlicher entwickelt, die Proportionen naturalistischer wiedergegeben, pflanzliche Rankenmotive tauchen häufig in Verbindung mit Tiermotiven auf. Beispiele finden sich auf zahlreichen Prestigeobjekten aus Silber, Knochen, Elfenbein, Horn und Stein, auch außerhalb Skandinaviens, etwa auf den Orkneyinseln und der Isle of Man. Berühmt ist die Mammen-Dekoration am Großen Runenstein von Jellinge, den Harald Blauzahn um 965 setzten ließ. Eine Seite des pyramidenförmigen Steines zeigt einen Löwen inmitten einer verschlungenen Blattornamentik, eine weitere Christus am Kreuz, gleichfalls eingerahmt von Rankenwerk.

Ringerike-Stil

Auf den Mammen-Stil folgte der von Ringerike, benannt nach einer Landschaft in Norwegen und chronologisch in die 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts zu datieren. Zirka 150 Gegenstände aus Stein, Knochen und Metall, die in Skandinavien gefunden wurden, zeigen den Ringerike-Stil, darunter prestigeträchtige Objekte wie schwedische Wetterfahnen. Besonders ausgeprägt ist er jedoch auf schwedischen und norwegischen Runensteinen. Die Blattmuster des Mammen-Stils sind im Ringerike-Stil weiterentwickelt und stärker achsenbezogen. Die Gestaltung ist insgesamt straffer und disziplinierter, gelegentlich lassen sich Einflüsse englischer und ottonischer Blattwerkornamentik erkennen.

Urnes-Stil

Die Schnitzereinen am Giebel der Stabkirche von Urnes in Westnorwegen gaben dem letzten Stil der wikingischen Ornamentkunst den Namen. Als Weiterentwicklung des Ringerike-Stils ist die Urnes-Kunst durch fließende Linien und Rhythmen gekennzeichnet. Schmale, schlangenartige Tierwesen formen große asymmetrische oder auf einer Achse ausgerichtete Schleifen. Der Urnes-Stil wird auf etwa 1040 - 1110 datiert. Beispiele finden sich nicht nur in Norwegen, sondern auch in Schweden, wo er auch als Runenstil bezeichnet wird, sowie - vor allem als Metallkunst - in Dänemark, England und Irland.

Alle hier gezeigten Zeichnungen sind (teilweise frei) nach Funden erstellt und sind unser geistiges Eigentum. Sofern Interesse an einer Verwendung besteht, bitte erst fragen, und mit Quellenangabe verwenden, danke. PS: Glaubt mir, das war viel Arbeit.

Maz