Eine guterhaltene Kiste mit Handwerkszeug aus der Wikingerzeit, welche in einem Moor Mastermyr (auch Mästermyr) in Gotland (Schweden) entdeckt wurde
Der Fund 1936 in einem trockengelegten Sumpf war eine Sensation:
Eine typische "Wikingerkiste" etwa aus dem Jahre ca. 1000 n.Chr. voller Handwerkzeug. Aus den Umständen und Beifunden schließt man, dass es die Werkzeugkiste EINES Handwerkers war (nicht einer Gruppe), eventuell eines "fahrenden Händlers". Also so eine Art Wanderarbeiter, der dorthin unterwegs war, wo es neue Arbeit für ihn gab
Das liegt an der Art, wie Anspruch und Wirklichkeit der Forschung und Wissenschaft auseinander klaffen:
Das Handwerk der Wikinger wurde gern als relativ primitiv geschildert (evtl. mit Ausnahme des Schiffbaus), also einfache Werkzeuge, primitive Techniken, dem gleichzeitig in Zentraleuropa existierenden Handwerk nicht gleichwertig.
Eigentlich geht Wissenschaft und Forschung so: Man findet etwas, datiert es und ordnet es ein.
Findet man etwas nicht, das man eigentlich erwarten würde, dann lautet die Aussage: Die Annahme konnte bisher nicht durch Funde belegt werden, oder: wir wissen nicht, ob..., da uns keine Funde vorliegen.
Niemals aber würde ein Wissenschaftler behaupten, dass etwas nicht existiert hat, weil man es (noch) nicht gefunden hat. Aber genau das ist den Wikingern immer wieder passiert.
Offizieller Wissensstand war, dass die Wikinger keine Sägen besaßen und kannten, obwohl z.B. an Kämmen und Truhen eindeutig Sägespuren gefunden wurden.
Das Handwerk der Wikinger war dem durch Kirche und Zünfte geregelten Handwerk im restlichen, christlich geprägten Europa in keiner Weise ähnlich.
Die Vorstellung, dass EIN Handwerker mehrere ganz unterschiedliche Fachrichtungen ausgeübt haben soll, ist unserem Handwerkskammerdenken (und dem der Zünfte) sehr fremd.
Dass jemand Schmied, Schiffsbauer, und Schreiner gleichzeitig sein könnte, widerspricht unserem Modell der Hochspezialisierung.
"So einer kann dann halt nix richtig", "lauter halbe Sachen" oder "das kann nix werden" dürften ernst gemeinte Kommentare lauten.
Und dann beweist diese Werkzeugtruhe unbestreitbar, dass es einen solchen Multi-Handwerker doch gab, und dass er mit hervorragendem Werkzeug arbeitete, dass selbst mit heutigem Werkzeug mithalten kann.
Also eine völlig unglaubliche Überlegenheit des Wikinger-Handwerkers im Vergleich zu "denen bei uns". Und das lässt sich zugegebenermaßen mit dem bisherigen Image der Wikinger nicht vereinbaren.
Doch wer erfand und verbreitete dieses Image (Barbaren, Seeräuber, Horden, Heiden, Primitive)?
Einen großen Anteil hatte sicherlich die Kirche (eine Trennung von Staat und Kirche war ja damals nicht gegeben), dies baute ein Feindbild gegen die heidnischen Wikinger auf.
Die Vertreter des Handwerks (Zünfte, Kammern, Verbände), für die das einheimische Handwerk auf jeden Fall das "non plus ultra" sein muss, stießen in dasselbe Horn.
Die Anerkennung fremder Leistungen ist ihnen auch heute oft nicht möglich.
Archäologie (und auch andere Wissenschaften) sind wiederum bei uns christlich-abendländisch geprägt, sie wurde Jahrhunderte von der Kirche diktiert und gegängelt und konnte dies bis heute immer noch nicht vollständig abstreifen.
Daher war eine vorbehaltlose und unabhängige Forschung oder Berichterstattung eher nicht zu erwarten, oder?